Sächsische Zeitung Nordböhmen – Tschechien - Ein Beitrag vom 5. Mai 2017 von Steffen Neumann

Rtt. Genusso, Schwejk und Old Schätterhänd legen einen Kranz am Grab Raps der Große nieder.Ehrung eines ganz besonderen Ritters

Der Männerbund Schlaraffia gründete sich in Böhmen. Nun kehrte er nach Teplice zurück – mit sächsischer Hilfe.

 

Wer sich am letzten Sonnabend im April auf den städtischen Friedhof von Teplice (Teplitz) verlief, konnte in eine besondere Gesellschaft geraten. Rein äußerlich schien hier ein ganz normales Totengedenken abzulaufen. Gedacht wurde Edmund Eichler, Kaufmann, geboren 1840 in der Kurstadt, gestorben 1892 in Meran und in der Familiengruft seiner Heimatstadt Teplice bestattet. Die Familiengruft wurde neu gestaltet. Glasplatten mit den eingravierten Namen ersetzen die entwendeten Metallbuchstaben. Zwei Reden wurden gehalten und ein Kranz aus Blumen und Bändern abgelegt. Doch warum hat sich ein Herr mit Narrenkappe unter die Gesellschaft gemischt? Und was macht die blaue Kerze mit einem Uhu am Grab? Und warum werden an die gut 50 Anwesenden Orden verteilt, deren Aufschrift stutzig macht: „Dem Andenken – Raps der Große“.

„Die blaue Kerze entzünden wir zu allen unseren Zusammenkünften, der Uhu ist unser Wappentier, und Orden sind bei uns ganz wichtig“, klärt Jan Kubricht auf. Wer hier zusammenkommt? Die Schlaraffen, deren Mitglied Kubricht in Meißen ist. Wer jetzt an dickbäuchige und wohlgenährte Menschen denkt, denen, kaum dass sie sich durch einen riesigen Kuchen gefressen haben, die Braten von allein in den Mund fliegen, liegt allerdings falsch. Die Schlaraffia ist ein 1859 in Prag gegründeter Männerbund zur Pflege von Freundschaft, Kunst und Humor, dessen bedeutendstes Mitglied Edmund Eichler – genannt Ritter Raps, der Tintenspatz auf Häringstonne – war und der deshalb von allen nur Raps der Große genannt wird.

 

Bild Raps der Große in der Burg der Dresa florentisEin Haufen Individualisten

 

Er hatte großen Anteil daran, dass sich die Schlaraffen von Prag aus über die ganze Welt verbreiteten. Seit Eichler 1872 den Prager Vorsitz übernahm, vereinte er alle Schlaraffen-Reyche, wie die einzelnen Vereine hießen, zur Allschlaraffia. Allein in den 20 Jahren seiner Präsidentschaft wurden 108 neue Vereine gegründet. „Das war eine große Leistung, denn damals wie heute sind wir ein Haufen Individualisten. Die zusammenzuhalten, ist nicht einfach“, sagt René Wagner, langjähriger Direktor des Karl-May-Museums und Oberschlaraffe des Äußeren der Meißner Schlaraffen. Auch die Schlaraffia sieht sich als Elite, gebildet anfangs aus Künstlern und Professoren, später auch Unternehmern wie Edmund Eichler oder Fabrikanten. Alle verband die Eigenschaft, sich selbst nicht so bierernst zu nehmen. Das hat man sich bis heute bewahrt. Wobei Bier (schlaraffisch genannt Quell) und Wein (Lethe) nicht unwesentliche Bestandteile der Treffen sind.

 

Doch ausgerechnet im Mutterland der Schlaraffen, in Tschechien, ist der Bund nicht mehr präsent. Dafür haben Naziherrschaft und nachfolgende Vertreibung der deutschen Minderheit gesorgt, die in der Schlaraffia den größten Teil der Mitglieder stellte. „Zu Beginn war die Schlaraffia noch ein Verein mit tschechischer Beteiligung. Doch der aufkommende Nationalismus und die Erhebung von Deutsch zur schlaraffischen Verkehrssprache machten aus dem Verein eine beinahe rein deutsche Angelegenheit“, erzählt der Historiker Martin Krsek, der zu den führenden Schlaraffia-Forschern in Tschechien zählt.

 

Der Kranz am Grab vom Raps der GroßeInsofern war die Ehrung am Grabe von Raps eine historische: „Es ist das erste Mal seit fast 80 Jahren, dass die Schlaraffia hier wieder öffentlich auftritt“, hebt Wagner hervor. Darum haben sich die Schlaraffen aus Meißen und Dresden verdient gemacht, denen ein Aufleben der Schlaraffia in ihrem Mutterland besonders am Herzen liegt. Sie knüpften Kontakte nach Böhmen. Vor fünf Jahren gab es eine erste Ausstellung. Und in Teplice hat sich um Hobby-Historiker wie Radim Neuvirt ein „Verein der Freunde Schlaraffias“ gegründet. „Wir sind keine Schlaraffen“, stellt Neuvirt klar. Das scheitert schon an der fehlenden deutschen Sprache. Doch dem Geist des Bundes sind sie so sehr verbunden, dass ausgerechnet einer von ihnen an diesem Tag eine Narrenkappe trug, die an die „Helme“ der Schlaraffen erinnern soll.

Die farbenfrohen und mit Orden behängten Uniformen der deutschen Gäste blieben nämlich im Koffer. Auch Lieder wurden keine gesungen. „Wir haben uns dagegen entschieden, um niemanden zu provozieren“, sagt Wagner. Doch ein Anfang ist gemacht. „Vielleicht klappt das ja das nächste Mal“, hofft Wagner. Die Meißner wollen weitermachen. „Es gibt noch viele Gräber herzurichten“, sagt Wagner.

 

Und vielleicht entsteht ja irgendwann doch mal wieder ein schlaraffisches Reych im Mutterland Böhmen, so der einende Gedanke aller auf dem Friedhof in Teplice – egal ob Deutsche oder Tschechen.